Eines Tages, Baby, werden wir tot sein

„Eines Tages, Baby, werden wir alt sein, oh Baby, werden wir alt sein, und an all die Geschichten denken, die wir hätten erzählen können.“

Eines Tages, Baby, da werden wir richtig alt sein. Nicht dieses ich-bin-jetzt-30-und-habe-immer-noch-kein-Haus-keinen-Baum-kein-Baby-und-keine-Ahnung-vom-Leben-alt, sondern richtig verdammt alt. So alt, dass wir keine eigenen Zähne mehr tragen. Künstliches Gebiss können wir uns nicht leisten. So alt, dass wir nicht mehr unterscheiden können ob das unter uns eine Sitzheizung ist, oder doch der eigene Urin, der wärmend zwischen der Poritze hin und her schwappt, während wir unseren Raucherhusten der Kifferlungen versuchen zu unterdrücken. Wir werden so verdammt alt sein, dass wir uns keine Gedanken darüber machen ob wir Geschichten erzählen können, weil wir aus allem eine Geschichte machen werden. Jeder Tag wird eine Geschichte, jede Scheibe Brot eine Geschichte und damals, da schmeckte das Brot noch nach Brot und wir mussten es nicht vorher in 2 Liter Sagrotan einweichen, weil die Pestizide der Nahrungsmittel uns sonst von innen auffressen. Wenn wir uns denn Brot leisten können. Denn wir werden so alt sein, so unglaublich alt sein, dass wir gar nicht mehr wissen wie es ist nicht alt zu sein. Wir werden warten und hoffen und nicht sterben und kein Geld haben. Aber hatten wir das denn je? Wir werden die Leberschmerzen wegtrinken wie wir uns damals unsere Kreativität angetrunken haben. Wir werden einsam sein weil die jungen Menschen Partys wie Konfetti werfen und dabei vergessen wie es wohl sein wird alt zu sein.

Eines Tages, Baby, da werden wir richtig alt sein. Wir werden Flaschen sammeln oder versuchen unsere letzte Internetwährung bei ebay zu verhökern. Doch alles was wir finden sind die alten youporn-Links. Wir waren doch so frei. Wir konnten doch alles tun. Wir konnten Länder bereisen und uns besaufen an den Menschen und dem Leben und wir haben es aufgefressen dieses Leben. So lange haben wir daran gesaugt bis nur noch eine Hülle übrig war. Lustlos lag es dann da wie eine Weißwursthaut an einem Frühschoppensonntag.

Eines Tages, Baby, da werden wir richtig alt sein. So alt, dass uns egal ist ob wir was zu erzählen haben, weil es da weh tut und hier auch und wir am besten einfach überall da hindeuten wo es nicht weh tut. Mutlos lassen wir den Finger in den Schoß fallen. Denn es tut überall weh. Wir haben Sport betrieben und uns gesund ernährt. Wir haben geyogat und gejoggt und gezumbat und getanzt in die Nächte voller grüner Wolken. Gekotzt in Gärten, in die der anderen. Die, die wir nie sein wollten weil wir doch leben und lebendig sind und „Lebe doch verdammt nochmal jeden Tag als wärs dein letzter, auch wenn am Ende nicht doch ein Herzinfarkt auf dich wartet.“

Eines Tages, Baby, da werden wir uns daran erinnern wie egoistisch wir waren. Wie geil wir waren auf diesen Style, dieses mehr-sein. Wir werden allein sein und keinem sagen können, dass er uns etwas bedeutet. Wir werden alt sein und hoffen, dass wir bald tot sind. Uns wird es egal sein, dass wir keine Geschichten zu erzählen haben, denn eigentlich, ja eigentlich, wollen wir doch nur endlich tot sein.  Denn Baby, eines Tages werden wir so alt sein, dass die fehlenden Geschichten unser kleinstes Problem sein wird. Denn frag sie doch, Baby, die Alten. Die richtig Alten. Die, die durch die Fußgängerzone laufen und Plastikflaschen aus stinkenden Mülleimern sammeln. Frag sie doch einfach mal, ob sie dir eine nette kleine Geschichte erzählen wollen. Von den lila Wolken. Oder dem Dopamin. Frag sie.

Denn Baby, eines Tages, da werden wir genau so alt sein. Wir werden in ihre Fußstapfen treten und einen Fick drauf geben, ob wir jemals wirklich gelebt haben. Weil plötzlich das Leben mehr ist als eine Ausschüttung von Glücksgefühlen.

Nice to meet you

Inspiriert von wunderbaren Texten wie diesem, jenem und dem hier, und Dank der Tatsache, dass ich nunmal keinen Alkohol mit Blubberblasen vertrage, zwingt mich mein Unterbewusstsein zu dieser Bestandsaufnahme. Wir werden sehen wohin das hier führt.

 

Ich rauche wie ein Schlot. Ich weiß nicht ob ich das wirklich mache weil ich es muss, oder weil ich es will, ob es der Genuss ist, der mich dazu bringt mir jeden Tag eine neue Schachtel zu kaufen. Ich hatte mit 16 eine Beziehung zu einem anderen Mädchen. Der erste Kuss fand statt als Stefan Raab im Fernsehen versuchte lustig zu sein. Ich lebte damals in einem Mädchenwohnheim und bediene hiermit alle Klischees. Ich versuchte mich selbst zu verletzen. Mit einer stumpfen Schere. Als es anfing weh zu tun, drückte ich ein bisschen Blut aus den kleinen Wunden und war zufrieden, kratzte so lange den Schorf von den winzigen Kratzern, sodass ich noch heute kleine Narben davon habe. Ich liebe das Geräusch von knisterndem Kandiszucker. Ich vermisse meine Eltern. Mal mehr, mal weniger. Beide weil sie tot sind. Manchmal spiele ich bewusst die „Ich bin ein armes Mädchen ich habe keine Eltern mehr.“-Karte aus. Danach schäme ich mich aber genau zu dem Zeitpunkt kann ich oft nicht anders. Ich habe gekifft, wäre einmal beinah dabei erstickt. Speed kenne ich nur aus dem kläglichen Versuch einen kleine Rest von einer Zeltplane wegzurotzen. Ich habe fast ein halbes Jahr meines Lebens damit verbracht mich jeden Tag zu besaufen und mit so vielen Männern wie nur möglich zu knutschen. Ich war verlobt und nahm es sehr ernst. Ich kann kleinen Babys kaum was abgewinnen außer ich habe einen persönlichen Bezug zu den Eltern. Wenn nicht, dann sehen sie für mich alle gleich aus und sind in meinen Augen das Gegenteil von süß. Ich habe in unserer jetzigen Wohnung ein eigenes Zimmer das eigentlich nur als Abstellraum dient. Ich kann mir Situationen sehr genau merken, die dort stattfindenden Dialoge, aber wenn ich aufzählen soll welche Autoren ich gerne lese, bleibe ich meist stumm weil ich mir die Namen nicht merken kann. Ich fuhr nur wegen Sex in eine andere Stadt um dort einen mir eigentlich fremden Menschen zu treffen. An die Dinge, an die ich mich aus meiner Kindheit erinnern kann, kann ich mich eben nur erinnern, weil sie mir so erzählt wurden. Ich mag Nähe von den richtigen Menschen und manchmal wird mir diese Nähe zu viel, sodass ich zum Monster mutiere, dass brüllend alles von sich stößt was sich im näheren Umfeld befindet. Ich habe wenige Freunde weil ich zu faul bin Freundschaften zu pflegen und weil ich weiß, dass alles endet, irgendwann, und ich es nicht ertrage, dass es so ist. Ich war ein einziges Mal auf einer Twitterlesung, hatte Herzrasen, trank ein Bier und verschwand dann ohne auch nur mit einer anderen Person zu sprechen. Ich hatte keine einzige Kinderkrankheit und habe jetzt panische Angst davor an eben solch einer zu sterben. Ich achte zu wenig auf meinen Körper und ich weiß, dass er mir das irgendwann heimzahlen wird. Ich gehe gerne auf Konzerte, hasse es jedoch mitten in der Menge zu stehen und mich von der Masse antreiben zu lassen doch genau jetzt so richtig abzugehen. Vordere Box rechts. Mein Platz. Seitdem mein Exfreund mit mir Schluss gemacht hatte, kann ich nicht mehr mit Geld umgehen. Vorher war der Dispo eine Sache die ich niemals im Leben anpacken würde. Ich habe studiert, bis zum Vordiplom, und habe dann beschlossen doch lieber arbeiten zu gehen. Meine Ausbildung habe ich gemacht nicht weil es mir liegt, sondern weil es sich zufällig ergab. Ich trage 6 Tattoos auf meiner Haut und jedes hat eine Bedeutung für mich. Ich würde mich gerne für Politik, Feminismus, Kunst, Poesie, etc. interessieren aber dann siegt die Faulheit. Ich esse gerne die Zitronen die man in das Glas Cola geworfen bekommt. Wenn ich versuche besonders leise zu sein, bin ich besonders laut. Ich habe eine 12jährige Katze und habe schon jetzt Angst vor dem Tag an dem sie stirbt. Ich bin ein Mädchen, dass sobald eine Kamera gezückt wird, kreischend die Hand vors Gesicht hält, oder den Stinkefinger zeigt. Ich wäre bei einem Backstreet Boys-Konzert beinahe verprügelt worden, weil ich gegen eine halbvolle Dose Bier getreten bin, die dann einen Halbstarken eingesaut hat. Ich habe mich noch nie geprügelt und könnte es wohl auch nicht, nicht mal wenn ich mich verteidigen müsste. Ich weiß, dass ich einen Jungen kennenlernte der mit mir immer in einen Holzschuppen ging. Wir hatten ein Geheimnis aber ich kann mich nicht mehr erinnern was das war. Ich weiß nur, dass es nicht richtig war was er mit mir gemacht hatte, weil er viel älter war als ich und ich nicht wusste was da passierte. Ich ertrage Beleidigungen jeglicher Art aber wenn man mir sagt ich sei dumm, raste ich aus. Ich war Mitglied in einem Eislaufverein, bei der Feuerwehr, in einem Volleyballverein und bei den Pfadfindern. Das Ausland kenne ich nur aus dem Fernsehen. Außerdem besitze ich kein Fernweh. Zu groß die Angst, dass ich mich nicht verständigen kann. Ich hasse es in unbekannten Lokalen die Toilette zu suchen, weswegen ich immer jemanden mitnehmen muss der mir beisteht. Ich musste bei der Polizei eine Aussage gegen eine vermeintlich beste Freundin machen und verzeihe ihr noch heute nicht, dass sie mich so belogen und betrogen hat. Ich twitterte darüber, dass ich mit einem ekligen Typen rummache der dann über Umwege diesen Blog fand und mich dann darauf ansprach. Ich habe mich nicht rausgeredet. Ich hasse den Sommer weil ich meinen Körper lieber in weiten dicken Pullis verstecke. Ich habe nichts gegen die Saisonterroraktionen wie Weihnachten, Valentinstag oder Ostern. Sie sind mir egal. Ich schreibe manchmal Menschen Dinge, für die ich mich nach ca. 5 Minuten selber ohrfeigen möchte. Ich möchte so viele Menschen treffen und kennenlernen und dann werde ich von mir selbst davon abgehalten indem ich mir sage, dass ich nichts zu geben habe was interessant sein könnte. Ich kann Menschen schnell einschätzen und wenn ich bei dem ersten Blick denke, dass dieser Mensch ein Arschloch ist, bestätigt sich das früher oder später. Ich bin 28 Jahre alt und ich weiß noch viel zu wenig von mir und von dem was ich eigentlich auf dieser Erde will.

Dunkelblauer Samt

Sie saß mir schräg gegenüber. Zwei Bankreihen zwischen uns. Ich weiß nicht warum ich sie ansah. Denn eigentlich darf man das nicht. Sich in der Bahn die Menschen genauer angucken. Und wenn man es doch tut, sieht man sofort beschämt aus dem Fenster. Sieht der Welt beim Davonlaufen zu oder mustert sich selbst solange, bis das Gesicht nur noch ein grauer Dreckfleck ist und man von einem „Ausstieg rechts“ erlöst wird. Sie war schon alt. Zumindest hatte sie graue lange Haare und die hat man nur wenn man alt ist. Sie trug eine Lederjacke über einem dunkelblauen Samtkleid. Das Gesicht aufgeschwämmt. Vielleicht vom Saufen. Oder einfach nur vom Fressen. Der Bauch größer als die Brüste. Unter dem Kleid eine Jeans. Als sie dann vor mir lief, diese wackeligen und unsichere Schritte, sah ich, dass die Hose hinten diese Löcher hatte die entstehen, wenn man zu klein ist für die Hosen, die man kauft. Ich musterte ihren Kopf als sie so vor mir die Treppe hinunterhumpelte. Dieser klägliche Versuch Ordnung zu bringen in das fransige Grau. Und plötzlich wollte ich sie umarmen. Weil sie mich erinnern und vermissen ließ. Weil ich plötzlich wieder ihr trauriges Gesicht vor Augen hatte mit diesen Wangen auf denen schon tiefe Furchen waren von den vielen Tränenströmen, die aus den Augen schossen. Ich wollte umarmt werden von ihr, weil es fast so gewesen wäre als hätte sie es getan. Ich hätte die Augen fest zusammengedrückt. So sehr, dass ich blinkende Lichter auf den Lidern sehen würde. Ich hätte ihr über den Kopf gestreichelt. Hätte mir vorgestellt wie es wäre wenn alles noch so wäre wie es nunmal war. Ich hätte angefangen zu weinen, weil ich mich dran erinnert hätte, dass ihre sie viel zu selten umarmt habe. Das ich anfange in fremde Frauen in der Bahn das hinein zu projizieren, was ich nun nicht mehr habe. Ich wartete darauf, dass was passieren würde. Irgendwas. Ein Zeichen. Von wem auch immer. Aber alles was passierte war, dass sie nach links ging und ich nach rechts. Ich schaute ihr hinterher. Diese grauen Haare. Wie die ihren. Dieser traurige Hundeblick. Wie ihrer. Dieser Glanz in den kleinen Augen. Der selbe wie bei ihr. Und doch ist es nicht das Selbe. Nur das Gefühl wird es sein.

Kotzrotz

Der Wein verteilt sich gut in deinem Blut. Du sitzt. Guckst in den Himmel und siehst plötzlich Sterne. In Hamburg eher selten. Du diskutierst darüber, was besser sein könnte für dein Leben und für dich und merkst, wie du dich selber herauswindest. Die Argumente des Einen so gut, sodass du nur mit Brüsten kontern kannst, die du demonstrativ vor das Gesicht hältst. Courage haben. Die Courage haben etwas besser zu machen, vielleicht besser werden zu lassen, was doch eigentlich gar nicht so schlecht ist. Sie liegt zertreten zwischen all den Vorstellungen wie es ist erwachsen zu sein. Fühlt sich dort eigentlich ganz wohl. Denn der Irrglaube streichelt es jede Nacht zärtlich in den Schlaf.

Hamburg wird immer mehr zu dem Ort der Grenzen. Der inneren Grenzen. Ideen werden Gedanken und Gedanken werden Ideen und Worte und so selten Taten weil es doch so viel leichter ist den immer fetter werdenden Arsch auf der Couch platt zu sitzen, als die Arschbacken zusammenzukneifen.

Denke die Tage darüber nach was ich vermisse. Und ich merke es ist die Jugend. Die, um die ich sie alle beneide. Wenn ich beobachte wie sich die Menschen Geschichten von damals um die Ohren prügeln, ist in meinem Kopf die Stille. Nichts dergleichen passierte bei mir. Die fickenden Barbies in der Badewanne des Petra-Hauses das einzige Highlight. Oder vielleicht doch noch der eine Abend an dem ich mich mit voller Inbrunst mit der Begründung ich hätte kalte Hände, an den Typen ranschmiss, den ich doch so unglaublich scharf fand und der dann in Regensburg studierte und dort dann das fand, was ich nie sein konnte.

In Gedanken brülle ich Zeitschriften an. Sie sollen ihre Fresse halten mit ihren Schlagzeilen die mich traurig machen. Und eigentlich sollte ich gerade eine Bewerbung schreiben und bin doch so froh endlich wieder Gedanken auf virtuelles Papier bannen zu können.

Vor was habe ich eigentlich Angst? Davor, dass ich plötzlich nichts mehr hätte worüber ich mich beschweren könnte?!

Wein, Weib und ein sterbendes Blog

Ich schreibe nicht. Ich höre keine Musik. Den Fernseher nehme ich wahr als einen Kasten dessen Bilder lustig wackeln, wenn man lange genug darauf starrt. Ich trinke wieder. Mehr, weniger, aber immer ohne Anlass. Und wenn ein Anlass gegeben ist, dann lasse ich es durch mich hindurchlaufen. Ich rauche zu viel und sehe meiner Vergangenheit dabei zu wie sie immer blasser wird. Wenn Menschen sterben, dann nehmen sie die Geschichten mit, die sie einem erzählen könnten. Die Aufmerksamkeitsspanne bei Gesprächen reduziert auf ein Minimum. Supportniveau. Alles über fünf Minuten ist schlecht und schadet dem Durchschnitt den wir halten müssen weil es wichtig ist, dass man viele Gespräche führt. Der Inhalt, egal. Hauptsache die Zahlen sind rund und schön und machen nette Gesichter wenn man sie auf Tafeln projiziert.  Immer öfter tauchen Dinge auf, für die ich noch nicht erwachsen genug bin, mein Umfeld scheinbar schon. Sie heiraten. Dieses Jahr sind es schon zwei. Kinder wollen sie noch nicht kriegen. Nachdem ich gesehen habe wie dieses Kinderkriegen vonstatten geht, will ich das auch nicht mehr. Ich erinnere mich daran, dass man dort sicher oft Nadeln in den Körper gesteckt bekommt um Sachen abzupumpen. Um zu testen ob alles gesund ist. Zu viele Nadeln. Viel lieber will ich Tattoos auf meinen Körper kratzen lassen. Die muss man wenigstens nicht zu Helden erziehen. Tage die stumpf an mir vorbeilaufen, kurz nicken, weitergehen und mich schon vergessen haben, wenn sie über die Straße gelaufen sind. Fremde Menschen die mich angrinsen. Ich grinse zurück, mechanisch. War am Samstag bei Ikea. Wir haben uns über die Namen der Kinder lustig gemacht, die in Küchenabteilungen verloren gehen und aus dem Kinderparadies abgeholt werden wollen. Das habe ich gar nicht bei facebook gepostet. Welch schlechter Zuckerberg-Jünger ich doch bin. Schnell die Chronik aufpolieren und all diejenigen blocken die meinen, durch das Teilen von Bildern würden Spendengelder verschenkt werden. Die innere Firewall blockiert gerade alle Ports. Oft sitze ich nur da. Möchte weinen. Der Grund ein unbekannter und vielleicht beweine ich nur wieder mich, weil ich nun mal selbstmitleidig bin. „Was hast du aus deinem Leben gemacht?“, frage ich mich. Ich blicke in dem Raum herum, der mein zu Hause ist und finde keine Antwort.

Fratzen, Wehen, Unwissen

Jeden Tag aufs Neue schlage ich das Buch der Fratzen auf. Dort kann man lesen was die Menschen machen, die einen begleiten oder zumindest kurz begleitet haben. Sie zeigen einem Bilder ihrer polierten Wägen und der Abende voller Suff und dem Wunsch für immer jung zu sein. Beziehungsstatus geändert, Orte angegeben und immer wieder die Frage, warum habe ich eigentlich keine SMS erhalten um dies wunderbare Ereignis zu erfahren, bevor ich es mit 174 anderen „Freunden“ teilen, es aus all dem „WOW!!! Fünfhundertrillionenmal wurde mein Profil angeklickt“-Botschaften herausfiltern muss.

 

Sie heiraten, verloben sich, gebären Kinder. Ich erlebe dies alles mit, aber bin kein Teil mehr davon. Es ist alles nur noch ein weiterer Punkt in der Chronik des Vergessens. Sie sind mir doch so wichtig, ich dachte ich sei ihnen wichtig. Doch Input funktioniert nicht mehr so, dass man spricht. Man postet. Sie sind zu weit weg um sie zu besuchen. Sie leben am anderen Ende von Deutschland. Der Großteil von ihnen. Und sie leben ihr Leben. So wie sie es für richtig empfinden, nur ohne mich. Ich könnte mich kümmern, mich bemühen, nachfragen und Pakete mit Tonnen von Abzügen der Bilder schicken, die ich all die Monate über gemacht habe. Aber ich tue es nicht. Ich drücke auf „gefällt mir“ und die Schuldigkeit wurde getan.

 

Ich schreibe eine Liste derer die plötzlich anfangen zu müssen mit diesem heiraten und Familie planen und Familie konstruieren. Die Liste ist länger als mir lieb ist. Ich grüble über das Alter derer die auf dieser Liste stehen. Sie sind jünger. Viel jünger. Es ist kein Zugzwang der mich packt aber ein Erschrecken darüber, dass mein Leben nicht hineinpasst in diese Form die mir dieses Buch der Fratzen vorgibt. Die Reife, sie fehlt, die Basis, das Verlangen danach, so zu sein wie sie. Und doch dieser Groll im Magen, dass ich es nicht vor Mark Zuckerberg erfuhr. Nur weil wir am selben Tag geboren sind, muss er das doch nicht vor mir wissen.

 

Ich sehe mich um. Die WG leer. Vor den Feiertagen fahren sie alle nach Hause. Ich bin zu Hause. Sie fahren zu ihren Familien. Ein Großteil meiner wahren Familie ist hier, wenn sie nicht mal wieder zu ihrer echten Familie fährt. Will ich eigentlich eine eigene Familie?

 

Ich frage ihn wann er Kinder will. Er weicht mir aus. Weil er mich nicht ängstigen will. Es kommt keine Gegenfrage weil er davon ausgeht, dass meine Frage bedeutet, dass ich dies möchte. Ich konfrontiere ihn damit, dass ich es nicht weiß. Es ist nicht der Zeitpunkt den ich nicht kenne, sondern es fehlt mir an dem Wissen ob ich es überhaupt will. Ob ich mich sehe in diesem Konstrukt Familie als Muttertier mit Eintöpfen und Wechselwindeln.

 

Wechsle zurück auf die Informationsplattform des Buches der Fratzen. Poste ein Bild des einsamen Weihnachtsgewächs. Geschenke davor, die Katzen, die neugierig ins Foto platzen. Trinke meine Flasche Wein leer und frage mich was ich will. Frage mich, ob ich mich vielleicht doch einfach mehr kümmern sollte um nicht alles total verkümmern zu lassen.

Zittergedanken

Möchte alles gut machen. Möchte besser sein und werden. Gewinnen an Haltung. Die Erfahrungen nutzen und lernen daraus. Möchte der beste und rundeste Trauerkloß von allen sein. Allein sein in den Tagen ein Unding. Schlafen und trinken. Mich betrinken und ertrinken in den leeren Worten der Gedanken. Richtig sein, am allerrichtigsten. Die Sonnenstrahlen einsaugen und widerspiegeln. Tage vergehen, Sorgen verdrehen mir die Gelenke und ich wanke durch das „Es muss weitergehen“-Szenario. Auskotzen. Sorgenvolle Blicke von Fastfremden die mich fragen wie es mir geht. Und immer weiß ich nichts zu sagen. Fremde die meine Texte lesen und mir sagen, dass es sie bewegt. Für mich nur ein Ventil und alles was aus mir herausbricht ein Schwall heißer Luft. Das Leben geht weiter, ich sollte wieder hineinspringen in dieses Kümmern und Sorgen und wichtig sein. Für mein Umfeld. Mechanisch führe ich jede Tätigkeit aus. Antrainiert und doch verlernt. Sinnsuchend und eigentlich will ich nur ans Meer und mich ertränken im weiten Blick.

 

„Du musst mehr schreiben.“, sagt sie mir nachdem sie den Buchtext gelesen hat. „Mache ich.“, antworte ich ihr. In dieses Internet. Sie sagt mir es müsse mehr sein. Und nicht dort wo man nach fünf Minuten vergisst und Menschen nachtrauert die man keine fünf Minuten kannte.

 

Die Hände zittern die Worte in die Tastatur. Seit einigen Stunden hört es nicht auf, dieses Zittern. Vielleicht ist es der Hunger oder die Sehnsucht nach Nikotin oder vielleicht auch nur Einbildung.

 

Ich frage ihn ob er mit mir ans Meer fährt. Er sagt wir können das am Samstag machen. Doch eigentlich will ich jetzt dort hin. Sage ihm, dass es Blödsinn ist und plappere weiter. Wie immer.

 

Plötzlicher Wunsch die Elfenbeinturmprinzessin Stunde um Stunde zu umarmen. Ihr in tausendfacher Farbenart zu sagen, dass ich sie liebe. Auf diese Platon-Art. Vielleicht macht dies der Verlust. Vielleicht aber auch nur das Wissen, dass Dinge kaputtgehen. Irgendwann.

 

„Darf ich deine Sorgen sehen? Darf ich in deinen Schädel gucken um mit einem Staubwedel den Dreck zu beseitigen der dir das Denken verklebt!? Ich hole den Schrubber, das Putzzeug, die scharfe Variante, und dann wird grundgereinigt. Ach nein, das geht ja nicht. Stehe nicht auf dem Putzplan. Nächste Woche vielleicht.“

 

 

Tod und Vergessen

Es begann alles mit einem Anruf. Einem der nicht ankam. Ich erhielt nur die SMS. Wann ich das letzte Mal Kontakt zu ihm gehabt hätte. Kann mich nicht mehr erinnern. Also ist es lange her. Zwei Tage sei sein Handy schon aus. Das ist nicht normal. Sage ich. Und die Bilder in meinem Kopf überschlagen sich. Sie wollen sich übertreffen. Zeigen mir blutige Szenarien. Viel Tod, viel Blut, wenig Hoffnung. Panik hat mich fest im Griff. Ich sitze und warte. Die Polizei tut ihr Übriges. Am Ende ist es wieder ein Anruf. Sie haben ihn gefunden. Tot. Ich weine. Und trinke. Rauche und versuche mich mit flachen Witzen über Wasser zu halten.

 

Zwei Tage später fahre ich zurück in die alte Heimat. Hätte nicht gedacht, dass ich die bayerischen Grenzen dieses Jahr noch überschreiten werde. Die Sonne brennt und ich versuche zu funktionieren. Ein Mann neben mir dessen Kopf auf Hochtouren arbeitet. Seine Eltern die unterstützen. Tipps geben. Und ich segne alles mit einem Nicken ab. Denn zum ersten Mal in meinem Leben weiß ich nicht was zu tun ist.

 

Die kleine Schwester, sie funktioniert. Sie tut was man tun muss in solch einem Fall. Die Rest-Familie guckt dabei zu und sagt uns nur, was sich gehört. Was man tun muss. Wohin man gehen sollte weil es der Anstand so will. Ich will ihnen den Fickfinger zeigen aber nicke es nur hinfort.

 

Die Beerdigung. Zu viel Weihrauch. Wechselbad der Gefühle. Möchte den Ministranten in ihre Kutten brechen und warte dann darauf, dass der Kaplan zum Circlepit aufruft. Lache. Innerlich. Der Gang zum Grab. Eine weitere Urne die wir unter der Erde verbuddeln und das innerhalb von drei Jahren. Jetzt sind sie wieder zusammen. Und plötzlich merke ich, dass es das war. Zwischen den Tränen ein „Das ist nicht fair.“ Als alle weg sind stehe ich dort mit meiner Schwester, gucke auf dieses Loch vor mir und sage ihm, dass er ein Arschloch ist weil er uns verlassen hat.

 

In der Wohnung stinkt es. Es ist normal, dass es so riecht wenn ein Mensch dort so haust wie er es tat und wenn er dann eine Woche liegt, so unlebendig. Ich will alles mitnehmen aber kann nicht, weil es zu viel wäre und es doch sowieso nur Dinge sind und die Erinnerungen trägt man im Herzen und die riechen wenigstens nicht nach Verwesung.

 

Wir teilen die Fotos aus. Jeder kriegt seinen Anteil am Erinnern. Ich weiß immer noch nicht was ich tun soll. Lasse mich dirigieren und handle so wie man es von mir erwartet. Höre mir die Geschichten an. Großvater der Andeutungen macht, dass mich meine Eltern nicht behalten wollten. Keiner mehr da den ich fragen kann. Mir wird gesagt, dass er kein Heiliger war. Als wüsste ich das nicht. Ich träume von ihm. Jede Nacht. Wie er dort liegt so tot und einsam. Ich wusste es, dass es so enden würde aber so schnell!?

 

Kann nicht sagen wie es mir geht weil ich es nicht weiß. Erhalte das Paket das ich ihm geschickt hatte als ich davon erfuhr. Nennt man wohl dumm gelaufen. Ob er es verstanden hätte? Ob er sich gefreut hätte?

 

Hier oben geht das Leben weiter. Hohe Wellen und ich will nur einmal richtiger Fels sein und bin wieder nur Kiesel der vorsichtig aus den Wellen gefischt wird. Sage, dass alles gut ist aber möchte weinen weil es eben nicht gut ist.

 

Sitze im Büro. Versuche mich zu konzentrieren und wieder nur die Gedanken daran, dass er dort lag. Ich hätte mich kümmern müssen. Aber zu spät. Alles. Und ich hätte nichts dagegen machen können. Weil es an der Zeit war. Der Kaplan erzählt, dass ihn Gott zu sich geholt hat. Ich möchte laut lachen aber verkneife es mir und murmle innerlich ein „Halt die Fresse. Du hast keine Ahnung.“

 

Zum ersten Mal in meinem Leben weiß ich nicht weiter. Weiß nur, dass es weitergehen muss, ich weitermachen muss. Die Liste dessen was zu erledigen ist wird länger. Die Zahlen was alles zu zahlen ist werden größer. Nur wenn ich schlafe und nicht träume ist alles gut. Doch dazu ist keine Zeit.

 

In drei Jahren zwei Menschen. Nun hat das sich Sorgen machen ein Ende aber wann beginnt der Zustand des normal denken Könnens?

ICH BIN IN EINEM BUCH

Nun mal ein bisschen Eigenwerbung. Wer bei Twitter ist kennt sie und wer sie nicht kennt ist doof. Ich spreche hier von der werten Frau Piepmatz. Sie macht wunderbare Dinge und dazu gehören Bücher. Ich durfte einen meiner Texte dort einreichen und der wurde in ein echtes reales anfassbares Buch gedruckt. Ich könnte nun glücklich sterben, denn ich glaube nun habe ich alles erreicht was ich jemals mit meinem Geschreibe erreichen kann und mehr kann ich nunmal nicht also eigentlich GAMEOVER.

Man kann dieses erwerben. Dieses Buch in dem ein Text von mir steht. Ich durfte es noch nicht anriechen und angucken aber ich weiß es wird großartig riechen und phantastisch aussehen. Und wenn man mal davon absieht, dass ein kränklicher Versuch meiner Laberei darin vertreten ist, wird es wunderbar sein. Also kauft es. „Zwischen den Zeilen“ nennt sich das Wunderwerk und ich würde es sehr begrüßen wenn es in Hamburg angelesen wird damit ich mich da heimlich reinsetzen kann und mir einen Ast freue wenn die Menschen dort dieses Buch käuflich erwerben in dem Worte von mir drin stehen.

Hab ich schon erwähnt, dass ich mich freue? Ich glaube nicht. Ich freu mich!

[EDIT 12.08.2011]

Es ist angekommen. Zwei Stück in einem unscheinbaren weißen Päckchen. Und ich lass sie nie wieder aus den Augen. Traute mich nicht das Päckchen aufzumachen. Die Elfenbeinturmprinzessin musste es machen. Und so grinse ich mich heute Nacht in den Schlaf und umarme zwei Bücher.

Wortklauberei

Mit weinverklebten Fingern aus Tagebüchern gerissen, zusammengeklebt und getippt. Alte Wertworte… uralt die Gedanken… kein Erinnern an das was war und doch so nah. [Texte verfasst im Jahre 2010… wieder gefunden]

Die Großstadt frisst meine Gedanken. Angewidert spuckt sie diese wieder aus, ist Besseres gewöhnt. Als würde man einem Sushi-Fresser und Weinschlürfer ein Happy Meal vorsetzen und dafür auch noch lobende Anerkennung erwarten, weil man sich doch so viel von der Mühe gegeben hat, die so schön hat geprickelt beim Kotzen durch die Nase…

Gummitwist spielst du mit meinen Nerven. Aber ich schlucke ohne danach zu spucken denn ich bin ein guter Mensch und Jesus liebt mich und der Kater und wer liebt eigentlich dich?

Leblosgesichtsmensch wurde ich. Regenrinnengedanken trommeln den Puls in meinen Kopf. Der Geist schläft keine Sekunde in der wachen Nacht. ADHS haben sie die Stunden… wie sie glitschig zwischen meinen Fingern durchgleiten. Hunger nagt an mir. Das Nervenkostüm ein Leinensack aus Blech. Verdautes ist unappetitlich und so weigere ich mich, dir ins Gesicht zu sehen. Zu durchgekaut die Diskussionen und Worte und Phrasen. Spiele leeres Gesicht, stelle mein Grinsen zur Verfügung und reibe meine Hand an Schwänzen. Menschen verfallen und alles mit Waren aufgefüllt was leergefressen wurde. Die Wirtschaft dankt. Kann ich atmen ohne zu denken oder werde ich an all dem Unausgesprochenen ersticken? Würge Worte bis sie blau anlaufen und zerbröseln. Sie sollen mir endlich ein Schweigen gönnen. Ruhe durch die laute Musik die mein Trommelfell punktiert. Darf ich vorstellen?! Das Regenmädchen, dass vor jedem Tropfen flüchtet als wäre er Möwenkot. Löwenmut auf die To-Do-Liste gepackt und doch so wenig zu tun, sodass man mit dem Stricken des Gedankenhorrors beschäftigt sein kann, ohne sich selbst den Weg zu verbauen.

Sitzen und mit sich selbst im Dialog. Die Stimmen verstellt. Vorhang hoch, runter, hoch, runter, rein, raus, raus, rein. Das alles im Kopf. Touristen in die Elbe geschubst um einen besseren Ausblick zu haben auf eine neugewonnene Trostlosigkeit. Schnell durch das T9-Verfeinerungsprogramm jagen um falsche Worte auszumerzen und am Ende ist der Text ein einziges „Es geht mir gut.“

„Was gibt es heute Abend zu Essen.“ „Es gibt Wein, baby, es gibt Wein. Schüttel dein stumpfes Haar für mich, es gibt Wein.“ In den Schlaf weinen oder verweinlicht auf der Strecke liegen bleiben, das eigene Blut auf der eigenen Zunge um sich überhaupt ein einziges Mal nur wieder zu schmecken. Wertminderungsgrenzen einhalten und Tode sterben bei jedem Gedanken ans groß werden müssen. Denn klein sein ist viel praktischer. Verstecken, schleichen, kriechen und schlechte Witze reißen auf Kosten guter Menschen um besser zu sein in einer Welt voller Donner und Groll. „Darf ich die Amsel in deiner Geschichte sein?“ „Es wird keine Amsel geben.“ „Genau aus diesem einen Grund will ich eben diese sein.“