Großstadt > Dorf

Aktuell ein sehr wichtiges Thema in meinem Leben und auch sehr zukunftsweisend in besonderer Hinsicht ist das Thema Großstadt vs. Dorf/Landleben. Der werte Freund hatte sich vor zig Jahren in jugendlichem Leichtsinn gedacht „Hamburg… da sind die so viele coole Bands und Hip Hop-Menschen her, da muss ich hin..“, oder so. Und total awesome, dass er hier hergezogen ist, sonst hätten wir uns nie kennengelernt und LOVE und so bullshit. Aber nun ist der Tag gekommen, an dem wir vor einem Scheideweg stehen und man gucken muss wohin denn die fuckin Reise nunmal geht.

Ich komme vom Land. So richtig hart vom Land. Ich bin eins der wenigen Landeier, das keinen eigenen Führerschein ihr eigen nennen kann weil das Geld ist viel besser in Nietengürtel und Konzerte investiert, als in so nen dummen Lappen, der einem erlaubt ein motorisiertes Gefährt von Punkt A nach Punkt B (der zig Kilometer weit weg ist) zu dingsen. Also kenne ich die Abhängigkeit von Anderen, diesen verzehrenden Wunsch auszubrechen und die Stunden des Wartens auf den nächsten Bus, wenn denn überhaupt einer fuhr, weil es ist Wochenende und scheinbar wollen Dorfies nur unter der Woche in die nächstgrößere Stadt um dort zu arbeiten, weil was sollten sie denn sonst dort tun, sie haben es doch so schön hier mit Feuerwehr und der netten Kapelle und überhaupt, zur Kirche kann man auch zu Fuß laufen, wenn man sich nur dolle anstrengt.

Nach vielen Jahren der Dorf-Knechtschaft, zog ich nun nach Hamburg. Besser gesagt nach Harburg, was für die echten Hamburger nicht mehr dazu gehört, weil ist ja südlich der Elbe (FUCK OFF!!!!). Wenn wir Freunde in Niedersachsen besuchen, gibts immer das Freudenfäustchen, wenn wir wieder nach Hause fahren und das Schild sagt „Yo digga, biste wieder in Hamburg.“ Weil ich das hier mag. Und nun die Gründe, die gegen „eigenes Haus“, „eigener Garten“, „mehr Platz“ und den ganzen anderen Kram spricht, der rausgeholt wird, wenn es darum geht, dass man doch aufs Land ziehen sollte, weil viel schöner.

  1. Menschen

Wir haben hier Menschen. So viele, dass wir sie in Häusern in kleinen Wohnungen übereinanderstapeln müssen. Aber das ist OK. Denn wir sind uns egal. Erst nachdem wir einen Wasserschaden in unserer Wohnung bemerkten, der offensichtlich bis zu den Nachbarn ging, merkten diese vorsichtig an, dass es ganz nett wäre, wenn wir nicht um 3 Uhr Morgens unsere Wäsche waschen würden, weil das laut sei. Die wären nicht im Leben auf den Gedanken gekommen uns zu nerven. Weil man es als Großstädter nunmal einfach hinnimmt, dass 99% der Menschen, die einen umgeben, Arschkrampen sind. Und so ist es nicht nur mit Nachbarn. Auch die Leute, die mir in der Bahn gegenübersitzen und lautstark meinen ihren Jahresvorrat an Karotten wegzusnacken. Die seh ich nie wieder. Mit denen muss ich mich auseinandersetzen, weil sie irgendwann in den Weiten des Großstadtuniversums verschwinden und nichts bleiben als eine lästige Erinnerung. Auf dem Land ist es was Anderes. Man kennt sich. Und wenn man sich nicht kennt, dann wird trotzdem gesprochen. Übereinander. Das ist die welche und haste gesehen wie sie am Samstag noch um 12 Uhr Mittags mit der Schlafanzughose vor dem Haus rumgelaufen ist?! Ungekämmt!!! Man ist sich nicht egal. Zwar ignoriert man sich, wenn man sich trifft, oder man grüßt sich, wenn man Wochenends spazieren geht, weil es sonst nichts gibt, was man tun kann, außer seiner Familie auf den Sack zu gehen oder heimlich im Partykeller den Wodkavorrat leerzusaufen. Aber man spricht übereinander. Man hat Meinungen. Und die Meinungen, die gehen nicht weg, weil man eben nicht nach einer Station aussteigt und dann in die nächste Bahn steigt. Man hängt fest in seinem kleinen verfickten Scheiß-Universum und hat nunmal nicht anderes als sich und mit sich will man sich nicht beschäftigen als beschäftigt man sich dem was einen umgibt und das sind die Nachbarn, die den Rasen nicht mähen und das Unkraut nicht rupfen und viel zu laut sind oder zu leise, sonderbar einfach, weil nicht so wie man selbst.

2. Essen

In einer Idealvorstellung von Landleben hat man seinen eigenen Garten mit Kräutern und Gemüse und alles ist so schön und geil und man liegt masturbierend (wenn die Hecken hoch genug sind) zwischen den drallen Beeten und freut sich schon über die Instagramfotos die man posten kann von #healthyliving und #selfwattauchimmer. Aber ich will mir nicht mühselig mein Gemüse aus der Erde rupfen. Ich will es in kleinen Schälchen, nett portioniert vor die Tür geliefert bekommen, fertigt gegart mit einer unmenschlichen Portion Reis dazu und weil man sich mal was gönnt auch ne Flasche Wein oben drauf. Ich will die Auswahl haben. Asiatisch, indisch, italienisch oder doch einfach nur ein pampiger Burger? Wenn man Glück hat, dann hat man einen Liefertypen aufm Land. Der ist völlig überfordert und so eine Lieferung die dauert, weil er seine zig Kilometer zurücklegen muss. Vielleicht sind die Pizzen bei ihm geiler, weil keine Massenproduktion, aber wen interessiert das, wenn er nach einer Stunde vor Hunger den Kitt aus den Fenstern gefressen hat? Ich will Sushi und indisch. Ich will den Dönermann um die Ecke und um die Ecke und um die Ecke und verdammte Scheiße ich weiß gar nicht wo ich Döner essen will, wenn ich aus dem Haus gehe weil ich allein 3 Dönerläden in nächster Nähe habe. Und wenn ich ganz verrückt bin dann geh ich raus und geh in Burgerläden mit dem geilen Scheiß. Nicht die Mc King-Scheiße. Mit geilen Brötchen und auch die Currywurst am Kiez ist besser als alles was ich mir selber in meinen eigenen vier Wänden zusammenbrutzle. Ich kann essen wo ich will, wann ich will, was ich will. Ich muss nur meinen Geldbeutel zücken und vielleicht ein paar Meter laufen. Wenn überhaupt.

3. Veranstaltungen

Ich nehme an kaum welchen von diesen hippen Dingen teil. Diesen ganzen Stadtteilfesten auf denen man sich gegenseitig beschissen im Weg rumsteht, während einem die Soße von irgendeinem leckeren neuen veganen fancy Irgendwas aufs Shirt tropft. Doch ich weiß, dass es sie gibt. Und allein das Wissen darüber beruhigt. Kein Schützenfest, auf dem Jugendliche betrunken hinter die Pommesbude kotzen, sondern die guten Sachen. Früher waren solchen Feste ein Zwang weil man wollte raus und Alkohol. Jetzt braucht man das nicht mehr, weil das Angebot so groß ist, dass man sich nicht mehr schlecht fühlen muss, wenn man stattdessen die bequeme Jogger anzieht und sich einfach auf dem Sofa verkriecht. Man hat endlich mal keinen Zwang an irgendwas teilzunehmen. Man kann, aber man entscheidet selbst, dass man nicht will.

4. Kiosk

Supermärkte auf dem Land sind weit weg und man muss mit dem Auto hin und man muss immer alles auf dem Zettel haben was man braucht und was man will, weil nochmal raus ist voll anstrengend. Hier habe ich allein drei Kiosk in erreichbarer Nähe. Sie warten auf mich. Die netten Menschen da drin die mir Kippen und mein Bier verkaufen. Ich kann da rein, ungewaschen und völlig neben der Spur, weil es egal ist, denn nach mir kommen die Berufsalkis, die sehen um Welten schlimmer aus als ich. Im Supermarkt sehe ich nur die Nachbar. Die, die nett grüßen, wenn sie am Haus vorbeilaufen und dann sich das Maul darüber zerreissen, wenn die Haare fettig aussahen oder die Hose dreckig war. Wenn man oft genug einen bestimmten Kiosk besucht, dann grüßt einen der Besitzer schon von Weitem. Er nennt einen vielleicht sogar beim Namen und fragt einem wie es einem geht. Ist verwirrt, wenn man eine Weile nicht gekommen ist, macht sich vielleicht sogar Sorgen. Der Supermarkttante ist es egal, wenn man nicht kommt.

5. S- und U-Bahn

Ich kenne die Erfahrung, dass man mit dem Bus versucht auf dem Land ein Ziel zu erreichen. Nicht nur, dass die Busse nur alle heiligen Zeiten fahren und man, wenn man so einen Bus verpasst gerne mal eine Stunde warten darf. Wenn sie denn fahren, dann fahren die da gesamte Gebiet ab… alles… jeden Misthaufen… jeden verfickten Misthaufen. Hier in Hamburg bin ich schon überfordert, wenn eine Bahn länger als 5 Minuten auf sich warten lässt. Was fange ich nur an mit dieser Zeit????? Noch schnell eine rauchen gehen? Panisch hin- und herlaufen und mit den Händen fuchteln? Wenn man auf dem Land wo hinfährt, dann ist alles Minimum 40 Minuten entfernt. In Hamburg 20 Minuten. Immer. Egal wo man ist, egal wohin man will. Und ich mag den Geruch. Ich mag es, dass mir eine freundliche Stimme sagt, was die nächste Haltestelle ist. Auf dem Land sitzt du in so nem Bus und hast keine verfickte Ahnung wo du dich befindest und wann du rausmusst. Du musst den netten Busfahrer in seinem 80er-Jahre-Bus fragen ob er so nett ist dir mitzuteilen, wann du dein Ziel erreicht hast, denn du würdest es verpassen.

6. Wohnen

Wir leben hier in einer ziemlich übertriebenen Wohnung in Hamburg für zwei Personen. Man stelle sich vor dass diese Wohnung gedacht war als WG für drei Personen. Nun hat jeder, weil wir es verfickt nochmal können, jeder sein eigenes Zimmer und ein Schlafzimmer und ein Wohnzimmer und eine Küche in der noch ein Tisch für 4 Personen Platz hat und awesome!!! Wenn mir meine Nachbarn ab irgendeinem Punkt ganz derbe auf den Sack gehen würde z. B. der komische Spast, der meint rechte Parolen von sich geben zu müssen, während er volltrunken auf der Straße torkelt, dann suche ich nach einer neuen Wohnung, sage „Fick dich Gegend!“ und verpiss mich. Weil ich es kann. Weil ich keine Verantwortung habe. Wenn ich jedoch ein Haus kaufe und nebenan wohnt einer, der gerne mal tagelang die „Best of Landser“ auf hyperlaut spielt, dann bin ich am Arsch. Denn das Haus wurde gekauft, finanziert, vielleicht sogar hart renoviert… Fuck! Und man kriegt den Idioten ja nicht weg. Also muss man sich arrangieren. Aber das möchte man nicht. Ich würde sagen… kacke. Wenn ich hier wohne, dann muss ich das nicht. Ich kann, weil ich es will. Wenn da ein Haus ist, dann muss ich da leben. Und wenn es sich herausstellt, dass die gesamten Menschen in dem näheren Umkreis absolute Vollidioten sind, dann muss ich damit klarkommen.

Das sind die ersten Punkte die mir einfallen. Und klar sehe ich nur das Negative. Weil ich eine Abneigung gegen dieses „Land“ habe. Und natürlich könnte auch alles total geil sein, weil alles Menschen um einen rum voll nett und super und awesome aber eigentlich mag ich das so wie es jetzt ist. Genau so! ABER Liebe versetzt Berge und ich bin ja wohl kein Berg… und ich kriege ein Fahrrad! Freudenfäustchen!

Schlafende Pendler

Schlafende Menschen in der Bahn. Ich könnte sie stundenlang beobachten. Nicht weil sie lustig grunzen, mit weit geöffnetem Mund jede kleine Fliege inhalieren, die an ihnen vorbeihuscht, sondern weil sie etwas ausstrahlen, was mich beruhigt. Ich romantisiere den Moment, ich weiß. Die meisten Menschen schlafen in der Bahn ein, weil sie nunmal müde sind. Fünf Tage die Woche pendeln sie. Erst mit dem Auto zur Haltestelle. Dann eine Stunde in dem wackelnden Gefährt bis zum Ziel. Die Nacht zuvor wenig geschlafen weil Baby oder Party oder Gartenzaunstreichen bis der letzte Sonnenstrahl von der Nacht verschluckt wurde. Sie versuchen zu lesen oder zumindest einem Hörbuch zu lauschen. Die Müdigkeit haut ihnen mit einem Knüppel auf den Kopf. Doch mir sind diese Dinge egal. Ein schlafender Mensch strahlt Unschuld aus. Auch wenn die Träume in dessen Kopf morbide sein könnten, sie wären doch nur Träume und keine Realitäten, bei denen man vor Entsetzen die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Das Gesicht ist entspannt. Nicht jeder sieht dabei schön aus, doch man hat das Gefühl, dass all die Last, die auf den Schultern dieser Pendler sitzt, abgeworfen wurde. Zumindest für einen kurzen Moment. Sie vertrauen. Einfach so. Den Menschen um sich herum, dass sie ihnen kein Leid antun. Sie vertrauen ohne die anderen zu kennen. Das alles strahlen sie aus. Ich möchte es aufsaugen und mitnehmen. Nicht schlafend möchte ich entspannt, unschuldig und vertrauend sein, sondern wenn ich wach bin. Doch dann hört man Geschichten. Handtaschen, die aufgeschnitten wurden, während man schlief. Fest im Arm gehalten. Vertrauen an der falschen Stelle. Und wenn man schon nicht mehr darauf bauen kann, dass einem im Schlaf kein Leid zugefügt wird, wie soll man das, wenn man wach ist!? Also bleibe ich wach, hellwach. Misstraue, bin selbst ein bisschen verschlagen, verdecke meine Karten, auch wenn sie miserabel sind. Der Nacken verspannt und jeder Muskel in Warteposition um schnell aufzuspringen oder jemanden anzuspringen. Für einen kurzen Moment, da beruhigen sie mich. Die schlafenden Pendler. Ich verliere mich in der Unschuld ihrer Gesichtszüge und schmunzle, ohne Wertung, wenn sie schnarchen. Ob ich selbst in der Bahn schlafe? Ich bin doch nicht bescheuert. Da sitzen so Psychopaten. Die starren einen an und wollen einem nur Schlechtes. 
  

Betrunkene sind auch nur…

Betrunkene sind seltsam. Es ist unterschiedlich, sie sind unterschiedlich in ihrer Seltsamkeit.

Bei manchen hat man das Gefühl, dass ihnen mit jedem Schluck aus dem Glas ein noch viel größerer Brocken von ihrer Seele purzelt und sie endlich der Vollidiot sein können, der sie nun mal sind, so tief in sich drin. Sie trinken und reden, plappern, werden redselig und bei manchen möchte man sich, wie ein Kind, die Finger tief in die Ohren stecken und Sepultura-Songs brüllen, nur um nicht noch tiefer in deren Innerstes zu gelangen, dass glibberig und so völlig entblößt vor einem liegt und gestreichelt werden will. Sie bewegen sich komisch und beginnen plötzlich zu tanzen, zu Liedern, die sie hassen.

Früher gab es draußen nur Kännchen. Heute gibt es dort die Männer mittleren Alters, die sich zur Feier des Tages die billigsten Zigarillos des Kiosks gegönnt haben. Paffend stehen sie da, mit glänzenden Augen und glotzen damit den Frauen in ihren engen Kleidern auf die Titten und die Ärsche. Vergessen dabei Frau, Haus, Baum, Kind. Vielleicht sehnen sie sich danach jung zu sein, so wie früher, was vergessen ist, denn jetzt ist man Chef oder zumindest irgendein Leiter von einer Abteilung, einer Ressource oder vielleicht auch nur der Blitzableiter von einem anderen, der über ihm steht.

Die Frauen, mit ihren kleinen Fältchen, die sie jeden Morgen aufs Neue verfluchen, kichern albern, wenn sie trinken und die Männer mit den Augen an ihren Ärschen haften. Sie fühlen sich begehrt, ausnahmsweise. Zu Hause gucken sie heimlich Pornos, manche fassen sich dabei sogar an und schämen sich nicht mal dafür. Sie wollen gefickt werden, wie damals, als es OK war, für fünf Minuten in der Dorfdisko auf dem Klo zu verschwinden. Es war nie schön, der Orgasmus so weit weg, wie der Prinz auf dem weißen Ross, aber sie fühlten etwas dabei und wenn es nur die kalten Fließen auf dem Rücken waren.

Junge Dinger hopsen dazwischen hin und her und feiern sich und ihr Leben und Millionen Möglichkeiten, die Tonnen an Zeit, die vor ihnen liegt. Sie sorgen nicht, sie sind einfach nur. Sogar sie fühlen sich von den Sabberblicken der Männer noch ein bisschen schöner. Sie spüren, wie die Alten ihnen die Jugend neiden und machen sich größer als sie jemals sein werden.

So betrunken wie sie sind, jeder für sich ein bisschen anders und doch im Kern gleich. Jeder von ihnen kehrt die größte Sehnsucht heraus, sobald die Promillegrenze erreicht und das Torkeln beginnt. Nähe wollen sie oder Aufmerksamkeit. Vielleicht setzen sie sich auch nur in eine Ecke, bedauern sich öffentlich, ansonsten tun sie dies nur alleine im Wohnzimmer mit der Fernbedienung in der linken und der Knarre in der rechten Hand. Doch bevor man abdrückt, schaltet man lieber weiter und sucht das Elend in tausend Kanälen um sich besser zu fühlen.

Nicht jeder Betrunkene wird akzeptiert. Es gibt feine Nuancen. Nicht jeder ist der perfekte Betrunkene und wird der Flirt bei dem Büromauerblümchen noch als niedlich empfunden, ist es bei der alternden Abteilungsleiterin nur noch peinlich und macht einen betroffen. Der laute junge Kerl aus der Postabteilung, der die Mädchen um sich schart und einen Drink nach dem anderen spendiert, ist der Held des Abends, während der Chef, der seinen Kollegen einen ausgibt, doch einfach nur Sympathiepunkte sammeln will, die dumme Sau.

Nüchtern betrachtet, sind Betrunkene doch auch nur Menschen. Vielleicht mehr, als sie es nüchtern je sein werden.

wenn Liebe nicht reicht

„Manchmal reicht die Liebe nicht.“, sage ich. Halte mich an einem Bier fest oder der Zigarette. Hauptsache beschäftigen und die Stimme ruhig halten, um nicht anfangen zu weinen. Wie vor einigen Tagen mit zu viel Wein und zu viel Hysterie im Kopf und im Herzen und vielleicht auch im Bauch.

Wir highfiven. Haben den Trend „Trennungsjahr“ sicher umschifft. Uns gefeiert, die fünf Jahre mit einem Essen und sich schick machen und dabei albern vorkommen. Der Moment gerade verdient aber kein Highfive. Sondern nur eine Klatsche. Ins Gesicht. Stimmen von Fremden, die dir flüstern, dass du doch glücklich bist und man doch das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet und wie klug sie doch alle sind. Ich sage dir, dass ich nur möchte, dass du glücklich bist. Irgendwann. Und dir was fehlen wird. Irgendwann mehr als im Jetzt. Und du sagst, dass wir das dann schon sehen werden. Du jetzt glücklich bist, wir glücklich sind. Doch denkt vielleicht auch jemand mal an mich? Daran, dass es für mich noch schwerer wird, wenn wir Jahr um Jahr kaputt Diskutiertes vor uns herschieben wie den nötigen Frühjahrsputz. Ich dann vielleicht noch mehr zerbrechen könnte, als jetzt schon? Ich deine Augen sehe, dich erlebe wenn dich das umgibt was du gerne hättest, was ich dir aber nicht geben kann, weil … es gibt so viele Argumente, die dagegen sprechen.

„Wir müssen reden.“ Wir reden, schweifen ab, lachen, weichen dem Thema aus. Da liegt es. Das Thema. Auf dem Tisch. Ich stupse es an, es quiekt. Dieses Thema, die dumme Sau. Es könnte doch alles so schön sein.

Plötzlich wird wieder gut geschlafen. Auf der linken Seite des Bettes. Ich tauche ein und den traumlosen Dunst aus körperlicher Müdigkeit. Mehr geht nicht. Kein erholsam in dem Wort Schlaf zu finden. Manchmal reicht Liebe allein nicht aus. „All you need is love!“ ist für Teenager, die ein ganzes Leben vor den Füßen haben. Erwachsene haben ein „Mein Haus, meine Yacht, mein Auto…“ Sogar wenn es um die Liebe geht.

Unmensch

Jeden Morgen stehe ich auf und male mich. Nicht mich an. Nicht diese Nummer mit Eyeliner und Mascara. Ich male mein Selbst. So wie ich bin, sein will. Ich versuche ein echter Mensch zu sein. Ein guter. Einer, der denkt, bevor er spricht. Was selten funktioniert. Aber ich versuche gerecht zu sein. In dem was ich tue. In dem wie ich mich Menschen gegenüber verhalte. Und ich male mit Farben, die ich oft selbst nicht kenne. Manchmal treffe ich die richtigen Farbtöpfe und der Tag und die Begegnungen mit den Menschen um mich herum stimmen sich farblich ab. Dann war es ein guter Tag. Mit einem Lächeln. Und manchmal gibt es diese Disharmonie. Sie ist nicht schlimm. Sie ist nie so drastisch, dass man das Bild des Tages wegwerfen müsste, weil es in den Augen brennt. Aber das ist auch gut so. Sogar Van Gogh, Da Vinci und wie die ganzen Ficker heißen, die krasse Kunstkacke am Start hatten, heißen mögen, haben ganz sicher so manches Bild in die Tonne gekloppt.

Doch dann kommt der Tag an dem ein Mensch, der dir sonst positiv gesonnen war, einen Edding auspackt. Er nimmt ihn, setzt an und schreibt auf deine Stirn Unmensch. Vielleicht weil er nur verletzt ist, vielleicht aber auch, weil er dich verletzen will. Und dann wache ich auf, beginne zu malen, wie jeden Morgen. Aber da ist es. Dieses dicke, fette, krakelige ‚Unmensch‘. Auf der Stirn. Kein Farbton der es übertünchen könnte. Und ich frage mich, hat dieser Mensch Recht. Die Tage über, trotz dieses Tags auf der Stirn, tänzeln nette Menschen um einen herum. Sie malen an dir. An mir. Sie malen kleine Blumen und Herzen und versuchen dich zu versüßen. Mich zu versüßen. Ich nehme es war. Doch sehe ich nur dieses Wort. Und schlafe mit einem bitteren Geschmack von Selbstgerechtigkeit ein.

Die Tage vergehen, der Edding verblasst. Die Pinsel tun das was sie am besten können und ich versuche den Gedanken wegzuschieben. Halte mich zurück. Versuche zu verschwinden. Schattengrau zu werden, statt neongrün. Es funktioniert. Man nimmt mich nicht mehr wahr. Die Blümchen werden weniger. Und es umgibt mich das sichere Grau des Schweigens. Doch es reicht nur ein kleiner Klecks signalrot. Vielleicht nicht mit Absicht. Ein kleiner Tupfer dort wo das Herz sitzt, vielleicht auch die Seele. Und schon beginnen die Nächte kürzer zu werden weil die Gedanken toben und ich mich hinterfrage. Immer und immer wieder. Listen, die geschrieben werden. Menschen, die einen bestätigen, ohne es zu müssen. Aber man hört nicht hin. Tut es ab als Nettigkeit die es geben muss, sonst würde das Konstrukt Welt zusammenstürzen und verenden.

Tränen der Wut auf meinem Gesicht. Nicht stark genug um das Grau zu zerstören. Stark genug einzudringen. In mich. Mich zu hinterfragen. Mich stumm zu schalten.

Ich wollte nie gemocht werden. Immer nur akzeptiert. Ich wollte nie verletzen. Teste Grenzen, erkenne sie zu oft nicht. Und es schwappt immer wieder die Frage auf „Muss man mich wirklich so hinnehmen wie ich bin, oder bin ich einfach ein schlechter Mensch?“ Erkaufe ich mir Liebe mit Annehmlichkeiten, die ich anderen Menschen zukommen lasse? Bin ich ein Freier meiner Freunde? Was wäre wenn die Freigiebigkeit sein Ende fände? Stünde ich dann alleine da? Und vor allem, wäre es wirklich so schlimm?

Ich kippe die bunten Farben, die strahlenden, weg. Sehe keinen Sinn darin. Nicht im Moment. Es bleiben die Töne die an Wein, Bier, Whisky und an das Vergessen erinnern. Weil vielleicht hatte der Edding Recht…

Ich gehe zu Karstadt. Schreibwarenabteilung. Die Auswahl riesengroß. Weil es in dort selten einen Spiegel gibt, muss die Handykamera herhalten. Ich hole den dicksten Edding heraus, teste ihn, an mir. Mit dicken Lettern in Spiegelschrift ein ‚WER BIST DU ÜBERHAUPT?‘. Auf der Stirn. Das Wort ‚Unmensch‘ schimmert durch.

Ich ignoriere es und lasse den Stift einfach fallen.

Geburtstort

Bayern. Ich zucke mit den Schultern. „Wann fährst du denn mal nach Bayern?“, fragen sie. Nicht viele. Aber sie fragen. Und ich zucke mit den Schultern und eine innere Stimme flüstert „Nie wieder.“. Sie nennen es meine Heimat. Ich nenne es Geburtsort. Nichts wofür man sich schämen sollte, worauf man aber auch auf keinen Fall stolz sein kann. Dinge passieren, Kinder werden geboren und weil es Bayern nunmal gibt, werden auch dort, weil die Menschen sich nunmal fortpflanzen, kleine Babys geboren. Heimat war es nie. Und wenn sie dann weiterfragen, warum denn nicht oder warum ich es denn nicht wüsste, weil man wolle doch sicher mal wieder in die alte Heimat, zucke ich weiter mit den Schultern und sage Dinge wie „Weil ich nichts vermisse.“, „Schon mal ein Bahnticket gekauft von Hamburg nach Bayern?“ oder „Keine Zeit.“

Alles Dinge, die irgendwie, so für sich selbst eine kleine Wahrheit enthalten. Aber der Hauptgrund, wenn ich in mich horche ist, dass ich mich der Konfrontation der „Zurückgebliebenen“ nicht stellen möchte. Sie gucken einen an. Mit diesem Blick der einem sagt, dass sie Großes von einem erwarten. Weil man ist nicht nur vom Land in eine größere Stadt gezogen. Nein. Man hat den Schritt gewagt fast bis an das andere Ende von Deutschland zu ziehen. Und so eine Großstadt, die pulsiert doch und man erlebt ständig verrückte Sachen und trifft seltsame Menschen und ist auf Hinterhofpartys eingeladen die darin enden, dass man splitterfasernackt in der Elbe schwimmen geht und dabei der Sonne beim Aufgehen zusieht. Man trinkt nur noch Starbuckskaffee und isst Gerichte deren Namen man nicht aussprechen kann. Das Leben, wird erwartet, wird so viel aufregender sein als am Land. Da wo man geboren ist. Weil die Großstadt… Da trifft man doch dauernd Künstler und vielleicht wird man selber Künstler und eröffnet einen eigenen Laden in dem man seine mundgeschnitzten Briefbeschwerer verkauft. Oder man geht ständig ins Theater. Weil Großstadt eben…

Und wenn sie einen dann angucken und Geschichten erwarten, dann kann man nur erzählen, dass man südlich der Elbe wohnt. Und nein, man kann da nicht auf die Elbe gucken. Man fährt ins Büro, geht danach Wolle kaufen. Und nein, im Büro kann man auch nicht auf die Elbe gucken. Aber der Kiez… ja der ist da. Manchmal versumpft man dort. Zusammen mit den Touristen. Guckt sie an, wie sie aufgeregt und verschämt an den Damen am Hans-Albers-Platz vorbeilaufen und kichern. Aber selten. Weil man doch nur ein kurzes Wochenende hat. Und es ist noch so viel zu erledigen. Und man setzt sich nicht stundenlang an die Landungsbrücken. Kann man auch gar nicht. Weil da sind die Touristen. Und man will nicht aussehen wie ein Tourist. Und eigentlich will man die Touristen schubsen, weil die so langsam sind und so langsam gehen und gucken und immer eigentlich gar nicht wissen wo sie gerade hinwollen.

Und dann kann ich nichts erzählen, außer, dass ich plötzlich gerne Dinge mache wie sticken. Und häkeln. Und nen Freund, ja den hab ich auch. Und den Kater, immer noch. Aber sonst. Ja nix. Und sie wirken so betroffen. Sind enttäuscht, weil wozu denn dann in die große Stadt ziehen, wenn man nicht mehr macht als zuvor und eigentlich das selbe macht.

Weil ich es kann. Weil ich dort in diesem Bayern immer das Gefühl hatte ich müsste erleben. So viel erleben, dass mir der Kopf platzt wegen den Bildern und den Farben und den Tonnen an Erfahrungen. Und jetzt wo ich hier bin. Hier, wo man erleben könnte, wenn man doch nur wollen würde, dann will ich nicht. Es reicht zu wissen, dass ich könnte. Es reicht das Gefühl rausgehen zu können und schon wär es da. Das Erleben. Man müsste nur danach greifen. Aber ich entscheide mich frei dazu, dass ich es nicht möchte. In Bayern, ja da war es anders. Da wurde ich gezwungen nichts zu erleben. Wie aufregend es war, wenn wir biertrinkend an der Tankstelle saßen. Es reichte mir, uns. Für diesen Moment. Manchmal vermisst man diese Momente. Aber jetzt. Da hat man genug Bandbreite, eine eigene Couch, versorgt sich selbst und will nicht mehr raus, weil man es nicht kann, sondern will nicht raus, weil man nicht möchte.

Bayern? Frage ich mich. Was soll ich da denn? Außer Leberkäse essen und eine Stunde auf den nächsten Bus warten?! Da rege ich mich doch lieber mit nem Franzbrötchen in der Hand darüber auf, dass ich jetzt wirklich 4 Minuten auf die nächste Bahn warten muss.

Der wichtige Wicht

Glatzkopf. Resthaar wegrasiert und alles was übrig blieb sind kurze Haarstoppel die nutzlos an der Kopfhaut kleben. Breite Schultern, Anzug, Lederschuhe mit dünnen Sohlen. Wichtiger Kopf mit wichtigem Handy und wichtigem Koffer mit Rollen unten dran um immer wichtig durch die Welt zu wichteln. Lautstarkes Telefonat mit lederbeschuhtem Fuß an der gegenüberliegenden Sitzbank. Ganz oft die Worte „Geschäftsführer“ und „Schweiz“ fallen lassen, denn dann ist man wichtig. Heute Abend noch eine Halloweenparty auf der man sich nicht verkleidet, denn wichtige Hamburger verkleiden sich nicht. Sogar das Spiel auf dem Handy mit Geräuschen die einem die Nervenbahnen zersägen. Denn man ist wichtig und so kriegt man die Aufmerksamkeit. Immer. Weil man doch so verfickt wichtig ist, so als Wicht.

Jedes Wochenende versucht er seine Frau zu besteigen. Brunftlaute die aus seinem dicken Hals kriechen denn das ist alles was er kann. Laut sein. Zwei Minuten besinnungsloses Gehämmer mit einem halbsteifen Penis. Und eigentlich will er doch einfach nur still sein. Manchmal. Sich klein machen. So klein, dass er wieder hineinpasst in den vertrockneten Uterus seiner Mutter. Aber er hat ihr versprochen was aus sich zu machen. Und nur wenn man laut ist, dann ist man wichtig und man kriegt Geld und dann kommen die Frauen und die Freunde und die Mutter kann stolz Bilder von ihrem Sohn zeigen wie er auf fremden Inseln große Fische in die Kamera hält und laut lacht.

Die ganze Woche war er unterwegs. Ist lachend in Ärsche gekrochen. Ein Lachen das klingt als würde man in eine Regentonne rülpsen. Hände hat er geschüttelt, fühlte sich dabei wichtig wie er diese Hände zerdrückte und das Geld auf seinem Bankkonto leise stöhnen hörte.

Manchmal will er verrückt sein. Vielleicht Frauenkleider anziehen. Oder barfuß durch die Fußgängerzone laufen und auf Trommeln schlagen bis die Fingerkuppen Hornhaut haben. Kiffen oder einfach mal keine Krawatte tragen. Vielleicht mal etwas spenden und es nicht von der Steuer absetzen. Aber wenn er das täte würde er merken, dass er doch nicht so wichtig ist. Das schon ein anderer wartet der ihn ersetzt und sich polternd lachend den Bauch hält. Er würde sein Leben führen, seine Frau besteigen, mit seinen Freunden Whiskey trinken. Es würde keinem auffallen wenn er der Mann wäre der zusammengekauert auf der Straße sitzt und fremde Menschen um ein paar Cent anbettelt. Und bevor ihn diese Gedanken zerfressen lacht er einfach. Auch wenn er weinen möchte. Bereitet sich auf die Gespräche vor, die er gleich führen wird. Und in denen wird er erzählen wie wichtig er doch ist. Dort in der Schweiz mit den Geschäftsführern.

Abkürzung

Eine dunkle Jahreszeit ist es. Diese Jahreszeit bei der sich jeder Schritt anfühlt wie der in einem Bahnhofsklo in der Provinz. Nasse Blätter gleichen geplatzten Kondomen und angepisstem Toilettenpapier. Dieses Dunkel in dem man nicht mehr unterscheiden kann ob man auf einen Hundehaufen steigt oder vielleicht doch auf einen toten Igel auf dem schon hunderte vor einem getrampelt sind.

 

Es ist eine Abkürzung die ich gehe. Zumindest bilde ich mir das jedesmal ein, wenn ich durch den winzigen schlecht beleuchteten Park rase. Durch die abgrenzenden Bäume sieht man die leuchtenden Wohnungsfenster in denen sich all das abspielt was man meistens gar nicht wissen möchte. Man müsste keine Angst haben, denn man ist doch umgeben von so viel Menschlichkeit. Von so vielen Telefonen und hilfsbereiten Türstehertypen die einen retten könnten, wenn was passieren würde. Aber trotzdem wird der Atem schneller sobald der erste Schritt getan ist. Zeige- und Mittelfinger in festem Griff um den Kopf des Schlüssels mit dem man im Falle des Falles zur Notwehr dem Angreifer in das Gesicht stechen könnte. Wenn man denn so weit kommen würde. Wenn man nicht vor Angst ihn einfach nur kitzeln würde mit der Spitze am Schlüsselende. Aber ich fühle mich sicherer. Vielleicht sollte man doch mit dem Baseballschläger das Haus verlassen. Niemand wird angegriffen, wenn er einen Baseballschläger bei sich trägt. Man könnte ihn wie der Bärenjude einschüchternd gegen alles schlagen was laute Plong-Geräusche macht. Alles um sicherer zu sein.

 

Es sind nur einige hundert Meter bis zur Haustür. Es kann eigentlich nichts passieren. Aber wir sind hier in einer Großstadt. Je mehr Menschen aufeinander sitzen, desto höher ist die Irrendichte. Weil sie fliehen, diese Irren aus ihren Kleinstädten. Weil sie auffielen. Weil die Bögen, die die Menschen um sie gemacht hatten zu groß wurden um dem Irrsinn in sich selbst nachgeben zu können. Und jeder kann es sein. Der Mann mit dem kleinen Hund. Der vielleicht auch Angst hat. Vielleicht vor mir. Weil ich hastig renne mit den Händen in meinen Taschen in denen Waffen stecken könnten um ihm sein weniges Rentengeld zu klauen. Oder die Jugendlichen die vielleicht nicht lachen weil sie sich freuen an dem Jungsein sondern lachen weil sie planen Böses zu betreiben. Denn in der Gruppe sind sie stark.

 

Nur keine Musik hören auf dieser kurzen Strecke. Man könnte sie überhören die Geräusche die Irre machen bevor sie einen überfallen. Kastanien die auf die Erde fallen, weil sie es leid sind an Bäumen zu hängen wo sie nicht beachtet werden, werden zu Schritten. Fester der Griff um den Schlüssel. Nur kein Blick auf das Handy, denn vielleicht ruft das kleine Leuchten die Irren heraus aus ihren Büschen in denen sie hocken und warten. Betrunkene auf Bänken die vielleicht nur jemanden suchen der ihnen zuhört weil sie sich selber nicht mehr zuhören können. Die Stimmen zu laut im Kopf und es muss raus. Ungefiltert. Nur nicht stehenbleiben. Der feste Griff um den Schlüssel und immer der Blick zu der beleuchteten Haustür. Was sollte schon passieren? Es sind doch nur hundert Meter.

 

Raus aus dem Park, ein kleiner Trampelpfad. Hindurch zwischen zwei Autos. Noch einmal den Schritt beschleunigen. Man weiß ja nie. Der Schlüssel liegt immer schwerer in der Hand. Die Luft die ganze Zeit angehalten. Denn sie können einen atmen hören die Irren. Zwei, drei, vier, fünf Schritte. Gehsteig. Blick in Fenster werfen. Ikea-Idyll das einem da aus dem Fenstern ins Gesicht gerotzt wird. Heile Welt in Milchglasoptik gehüllt. Ein weiterer Schritt und die Sicherheit hat mich wieder. Eilige Schritte hoch in den dritten Stock. Ein kurzer Blick auf den Baseballschläger und die Frage, ob man ihn das nächste Mal vielleicht doch mitnehmen sollte. Oder ob man einfach auf die Abkürzung verzichtet.

Kotzrotz

Der Wein verteilt sich gut in deinem Blut. Du sitzt. Guckst in den Himmel und siehst plötzlich Sterne. In Hamburg eher selten. Du diskutierst darüber, was besser sein könnte für dein Leben und für dich und merkst, wie du dich selber herauswindest. Die Argumente des Einen so gut, sodass du nur mit Brüsten kontern kannst, die du demonstrativ vor das Gesicht hältst. Courage haben. Die Courage haben etwas besser zu machen, vielleicht besser werden zu lassen, was doch eigentlich gar nicht so schlecht ist. Sie liegt zertreten zwischen all den Vorstellungen wie es ist erwachsen zu sein. Fühlt sich dort eigentlich ganz wohl. Denn der Irrglaube streichelt es jede Nacht zärtlich in den Schlaf.

Hamburg wird immer mehr zu dem Ort der Grenzen. Der inneren Grenzen. Ideen werden Gedanken und Gedanken werden Ideen und Worte und so selten Taten weil es doch so viel leichter ist den immer fetter werdenden Arsch auf der Couch platt zu sitzen, als die Arschbacken zusammenzukneifen.

Denke die Tage darüber nach was ich vermisse. Und ich merke es ist die Jugend. Die, um die ich sie alle beneide. Wenn ich beobachte wie sich die Menschen Geschichten von damals um die Ohren prügeln, ist in meinem Kopf die Stille. Nichts dergleichen passierte bei mir. Die fickenden Barbies in der Badewanne des Petra-Hauses das einzige Highlight. Oder vielleicht doch noch der eine Abend an dem ich mich mit voller Inbrunst mit der Begründung ich hätte kalte Hände, an den Typen ranschmiss, den ich doch so unglaublich scharf fand und der dann in Regensburg studierte und dort dann das fand, was ich nie sein konnte.

In Gedanken brülle ich Zeitschriften an. Sie sollen ihre Fresse halten mit ihren Schlagzeilen die mich traurig machen. Und eigentlich sollte ich gerade eine Bewerbung schreiben und bin doch so froh endlich wieder Gedanken auf virtuelles Papier bannen zu können.

Vor was habe ich eigentlich Angst? Davor, dass ich plötzlich nichts mehr hätte worüber ich mich beschweren könnte?!

Wein, Weib und ein sterbendes Blog

Ich schreibe nicht. Ich höre keine Musik. Den Fernseher nehme ich wahr als einen Kasten dessen Bilder lustig wackeln, wenn man lange genug darauf starrt. Ich trinke wieder. Mehr, weniger, aber immer ohne Anlass. Und wenn ein Anlass gegeben ist, dann lasse ich es durch mich hindurchlaufen. Ich rauche zu viel und sehe meiner Vergangenheit dabei zu wie sie immer blasser wird. Wenn Menschen sterben, dann nehmen sie die Geschichten mit, die sie einem erzählen könnten. Die Aufmerksamkeitsspanne bei Gesprächen reduziert auf ein Minimum. Supportniveau. Alles über fünf Minuten ist schlecht und schadet dem Durchschnitt den wir halten müssen weil es wichtig ist, dass man viele Gespräche führt. Der Inhalt, egal. Hauptsache die Zahlen sind rund und schön und machen nette Gesichter wenn man sie auf Tafeln projiziert.  Immer öfter tauchen Dinge auf, für die ich noch nicht erwachsen genug bin, mein Umfeld scheinbar schon. Sie heiraten. Dieses Jahr sind es schon zwei. Kinder wollen sie noch nicht kriegen. Nachdem ich gesehen habe wie dieses Kinderkriegen vonstatten geht, will ich das auch nicht mehr. Ich erinnere mich daran, dass man dort sicher oft Nadeln in den Körper gesteckt bekommt um Sachen abzupumpen. Um zu testen ob alles gesund ist. Zu viele Nadeln. Viel lieber will ich Tattoos auf meinen Körper kratzen lassen. Die muss man wenigstens nicht zu Helden erziehen. Tage die stumpf an mir vorbeilaufen, kurz nicken, weitergehen und mich schon vergessen haben, wenn sie über die Straße gelaufen sind. Fremde Menschen die mich angrinsen. Ich grinse zurück, mechanisch. War am Samstag bei Ikea. Wir haben uns über die Namen der Kinder lustig gemacht, die in Küchenabteilungen verloren gehen und aus dem Kinderparadies abgeholt werden wollen. Das habe ich gar nicht bei facebook gepostet. Welch schlechter Zuckerberg-Jünger ich doch bin. Schnell die Chronik aufpolieren und all diejenigen blocken die meinen, durch das Teilen von Bildern würden Spendengelder verschenkt werden. Die innere Firewall blockiert gerade alle Ports. Oft sitze ich nur da. Möchte weinen. Der Grund ein unbekannter und vielleicht beweine ich nur wieder mich, weil ich nun mal selbstmitleidig bin. „Was hast du aus deinem Leben gemacht?“, frage ich mich. Ich blicke in dem Raum herum, der mein zu Hause ist und finde keine Antwort.